2009, München: Ein schlanker, grauhaariger Herr begrüßte mich mit freundlichem Lächeln, festem Händedruck, einer angedeuteten eleganten Verbeugung. Beim Kaffee plauderten wir entspannt, die Fortsetzung eines wunderbaren Gesprächs, das wir Wochen zuvor am Telefon führten. Ein Kaleidoskop von Eindrücken blieb von unserer Begegnung; als „schwierig“ gilt
Konrad R. Müller, bisweilen als distanziert und verschlossen. Nichts von alledem habe ich mit ihm erlebt, sondern an diesem regnerischen Münchner Nachmittag einen überaus beeindruckenden Menschen kennen gelernt. Gänzlich unprätentiös, charmant, voller Humor, das Gespräch war ein Parforceritt durch Kultur, Literatur und Malerei. „Das ist kein Mann, das ist ein Herr!“ hätte meine preußische Großmutter über den Künstler geurteilt.
In den Bildern Konrad R. Müllers findet der Betrachter den Blick eines Malers wieder, ob in Licht und Schatten seiner schwarzweißen Fotografien oder deren Komposition. Bevor er sich eher zufällig der Fotografie zuwandte, studierte Müller an der Berliner Hochschule der Bildenden Künste – Malerei. Legendär ist seine Verweigerung künstlicher Lichtquellen, der Arbeit im Fotostudio. Aus der Beharrlichkeit seiner stillen Beobachtung entstehen Bilder, immer Schwarzweiß, voller Respekt, Einfühlungsvermögen, die mit ihrer Genauigkeit des Blicks fesseln und berühren. “Ein Konrad R. Müller knipst nicht. Der wartet. Der sagt: Zeit ist mein Gut.“ schrieb die Zeit 1998 in einem Porträt über ihn.
Konrad R. Müller allerdings ausschließlich als den „Kanzlerfotografen“ zu bezeichnen, wird dem Künstler nicht im mindesten gerecht. Denn weitaus beeindruckender noch als seine Porträts der deutschen Bundeskanzler sind „die anderen“ Bilder, die im Auftrag vieler Magazine entstanden: Stillleben, Landschaftsfotografien, Reportagen. Seine Serie „Incognita“ zeigt Präparate aus dem Medizinisch-Historischen Museum der Berliner Charité; die einzelnen Aufnahmen missgebildeter Föten erinnern an die Gemälde von Hieronymus Bosch, Francisco de Goyas „Pinturas Negras“ oder an Francis Bacon. Auch die Reportage über einen Außenseiter ist ein spannendes Dokument des grandiosen Bildjournalismus: Stille Fotos, die in keinem Moment den Respekt vor dem Menschen verlieren. Sie erzählen die ergreifende und traurige Geschichte von Gratian, dem „Werwolf“ in den rumänischen Karpaten.
Ein Teil dieser Bilder ist im Buch „Terra Cognita“ (Steidl Verlag Göttingen, 2000) erschienen, das neben einer Auswahl der berühmten Kanzlerbilder auch Reportagen und beeindruckende Porträts, beispielsweise von Luis Trenker, zusammenfasst. Es ist zugleich Katalog der gleichnamigen Ausstellung, die 2000 im Deutschen Historischen Museum gezeigt wurde.